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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 26.11.2008
Aktenzeichen: 4 K 34/06
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 1469/95, FGO, SGG


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 1469/95
FGO § 46
FGO § 67
FGO § 68
SGG § 96
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme nach der Verordnung (EG) Nr. 1469/95.

Der Kläger ist Geschäftsführer der Firma A GmbH, die wiederum die Rechtsnachfolgerin der Firma B GmbH ist. Die Firma A GmbH bzw. ihre Rechtsvorgängerin führte in den Jahren 1998 bis 2001 Fleisch unterschiedlicher Marktordnungs-Warenlistennummern unter Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattung in verschiedene Drittländer aus.

Aufgrund von Marktordnungsprüfungen, die das Hauptzollamt C bei der Firma A GmbH im Mai 2001 sowie im Januar und Februar 2002 durchgeführt hatte, ergab sich für das beklagte Hauptzollamt der Verdacht auf Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung der Ausfuhrgeschäfte. Das beklagte Hauptzollamt erließ deshalb mit Bescheid vom 07.01.2003 gegenüber dem Kläger eine Maßnahme nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 1469/95 und setzte mit sofortiger Wirkung sämtliche Zahlungen von Erstattungen für die Ausfuhr von Rind- und Schweinefleisch aus.

Nachdem das Finanzgericht Hamburg mit Beschluss vom 27.11.2003 (IV 225/03) die Vollziehung des Bescheides vom 07.01.2003 mit der Begründung ausgesetzt hatte, dass der gegenüber dem Kläger erlassene Maßnahmebescheid gemäß Art. 3 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 745/96 nicht ohne eine Befristung hätte ergehen dürfen, befristete das beklagte Hauptzollamt mit Änderungsbescheid vom 23.12.2003 die gegenüber dem Kläger nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 1469/95 verhängte Maßnahme bis zum 30.11.2004.

Der vom Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht in der Folgezeit statt und hob mit Urteil vom 08.04.2004 (IV 224/03) den Bescheid vom 07.01.2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.07.2003 und des Änderungsbescheides vom 23.12.2003 auf.

Gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 08.04.2004 (IV 224/03) legte das beklagte Hauptzollamt Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof ein, die dort unter dem Aktenzeichen VII B 96/04 geführt wurde.

Mit Bescheid vom 29.11.2004 änderte sodann das beklagte Hauptzollamt den Bescheid vom 07.01.2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.07.2003 und des Änderungsbescheides vom 23.12.2003 "mit der Maßgabe, dass die zunächst bis zum 30.11.2004 befristete Maßnahme gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 1469/95 ... nunmehr bis zum 31.03.2005 anzuwenden (sei)." Der Bescheid vom 29.11.2004 enthält (u.a.) den folgenden Hinweis: "Dieser Bescheid wird gem. § 68 Satz 1 Finanzgerichtsordnung Gegenstand des beim Bundesfinanzhof anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens Az. VII B 96/04. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen." Der Bescheid vom 29.11.2004 ist den Bevollmächtigten des Klägers per Telefax am 30.11.2004 zugegangen.

Nachdem die gegenüber dem Kläger verhängte und mit Bescheid vom 29.11.2004 bis zum 31.03.2005 verlängerte Maßnahme durch Zeitablauf ihr Ende gefunden hatte, erklärten die Beteiligten das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzhof übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt. Mit Beschluss vom 01.08.2005 erklärte daraufhin der Bundesfinanzhof das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 08.04.2004 (IV 224/03) für gegenstandslos und legte den Beteiligten die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte auf.

Der Kläger hat am 07.03.2006 die vorliegende Klage erhoben, mit der er - auch zur Vorbereitung eines Amtshaftungsverfahrens gegenüber dem beklagten Hauptzollamt - die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 29.11.2004 begehrt. Er führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Zulässigkeit der erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklage stehe das bereits abgeschlossene Verfahren vor dem Finanzgericht (IV 224/03) bzw. vor dem Bundesfinanzhof (VII B 96/04) nicht entgegen. Insbesondere sei der streitgegenständliche Bescheid vom 29.11.2004 nicht gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des zwischenzeitlich beim Bundesfinanzhof anhängig gewordenen Verfahrens geworden. Denn der Bescheid vom 29.11.2004 habe den Bescheid vom 07.01.2003 weder ersetzt noch geändert. Regelungsgegenstand des Bescheides vom 29.11.2004 sei vielmehr allein die Anwendung einer Maßnahme nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) VO (EG) Nr. 1469/05 vom 01.12.2004 bis zum 31.03.2005. Bereits der Umstand, dass der streitgegenständliche Bescheid auf den 29.11.2004 datiert sei und ihm - dem Kläger - nicht vor Ablauf der bis zum 30.11.2004 befristeten Maßnahme habe zugehen könne, zeige, dass dieser Bescheid den Bescheid vom 07.01.2003 nicht habe ersetzen sollen. Das beklagte Hauptzollamt habe vielmehr allein beabsichtigt, die bis auf den 30.11.2004 befristete Anwendungsdauer des Maßnahmebescheides zeitlich bis zum 31.03.2005 zu erstrecken, nicht aber den Bescheid vom 07.01.2003 rückwirkend aufzuheben. Der Bescheid vom 29.11.2004 habe den Bescheid vom 07.01.2003 aber auch nicht im Sinne des § 68 FGO geändert. Denn dieser habe einen gänzlich anderen Regelungsgegenstand gehabt und damit die Identität der Einzelfallregelung des Bescheides vom 07.01.2003 nicht wahren können. Unerheblich sei insoweit, dass das beklagte Hauptzollamt die Regelung des Bescheides vom 29.11.2004 als Verlängerung bezeichnet und auf die Rechtswirkung des § 68 FGO hingewiesen habe. Es komme nämlich nicht darauf an, welche Rechtswirkungen das beklagte Hauptzollamt habe erlassen wollen, sondern welche Regelung es tatsächlich objektiv getroffen habe. Der Regelungsgehalt der Anordnung einer Maßnahme nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 1469/95 sei aber immer nur die Aussetzung von Zahlungen an einen Wirtschaftsteilnehmer für einen bestimmten Zeitraum. Die Befristung der Maßnahme, bei der es sich um keine zeitliche Nebenbestimmung im Sinne des § 36 VwVfG, sondern um eine kraft Gesetzes zeitlich beschränkte Geltungsdauer handele, mache den wesentlichen Regelungscharakter aus. Die fehlende Identität der Regelungsgehalte des Bescheides vom 07.01.2003 einerseits und des Bescheides vom 29.11.2004 andererseits ergäben sich zudem aus den materiellrechtlichen Voraussetzungen einer Maßnahme nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 1469/95. Eine solche Maßnahme habe einen im Wesentlichen präventiven Charakter, es gehe um den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft gegen die unberechtigte Inanspruchnahme von Mitteln des EAGFL durch unzuverlässige Marktbeteiligte. Das beklagte Hauptzollamt habe bei der Verhängung einer solchen Maßnahme stets eine Prognoseentscheidung darüber zu treffen, für welchen Zeitraum eine derartige Gefahr bestehe. Nach Ablauf der Geltungsdauer einer Maßnahme nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 1469/95 habe das beklagte Hauptzollamt sodann eine neue Prognose über die Gefahr einer unberechtigten Inanspruchnahme von Gemeinschaftsmitteln durch den Marktbeteiligten anzustellen. Diese neue Prognoseentscheidung könne nur auf Umstände gestützt werden, die nicht bereits zur Begründung des Erlasses der ersten Maßnahmeentscheidung herangezogen worden seien. Entsprechend diesem materiell-rechtlichen Verständnis sehe die Verordnung (EG) Nr. 1469/95 auch keine Möglichkeit vor, eine Maßnahmeentscheidung zu verlängern; der Behörde sei lediglich die Möglichkeit eingeräumt, eine weitere, neue Maßnahmeentscheidung zu treffen.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid vom 29.11.2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.02.2006 rechtswidrig war.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es meint, die Klage sei unzulässig, weil der Kläger es unterlassen habe, im Verfahren vor dem Bundesfinanzhof einen entsprechenden Feststellungsantrag zu stellen. Der Bescheid vom 29.11.2004 sei gemäß § 68 FGO Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens vor dem Bundesfinanzhof geworden mit der Folge, dass der Kläger nach Abgabe der Erledigungserklärung im dortigen Verfahren die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 29.11.2004 nicht mehr gerichtlich geltend machen könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 4 K 34/06, IV 224/03, IV 225/03 und IV 24/04 sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist unzulässig. Denn für sie besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Der Kläger hat es versäumt, während des Beschwerdeverfahrens VII B 96/04 wegen Nichtzulassung der Revision sein Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 29.11.2004 umzustellen.

Der Bescheid vom 29.11.2004 ist in entsprechender Anwendung des § 68 FGO (zur Anwendung des § 68 FGO auch im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision vgl. BFH, Beschluss vom 07.02.2008, X B 39/07, BFH/NV 2008, 965; BFH, Beschluss vom 23.11.2007, V B 54/07, [...], jeweils m.w.N.) Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden. Nachdem die gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 29.11.2004 bis zum 31.03.2005 verlängerte Maßnahme durch Zeitablauf ihr Ende gefunden und die Beteiligten übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben hatten, ist es dem Kläger verwehrt, die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 29.11.2004 in einem gerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Dieses Begehren hätte der Kläger vielmehr bereits und allein im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzhof durch eine entsprechende Umstellung seines Antrags geltend machen müssen. Dass der Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage bei Erledigung der Hauptsache auch (noch) im Stadium der Nichtzulassungsbeschwerde zulässig ist, ist in der Rechtsprechung geklärt (vgl. nur BFH, Beschluss vom 15.12.2004, VIII B 181/04, BFH/NV 2005, 896).

1. Der Bescheid vom 29.11.2004 war in entsprechender Anwendung des § 68 FGO Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesfinanzhof geworden. Denn das beklagte Hauptzollamt hat den Bescheid vom 07.01.2003 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.12.2003 durch den Bescheid vom 29.11.2004 im Sinne des § 68 FGO geändert.

In § 68 FGO ist geregelt, dass, wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens wird. Die Vorschrift des § 68 FGO, die bestimmt, welche verfahrensrechtlichen Folgen die Änderung oder die Ersetzung eines Verwaltungsaktes auf die gegen ihn erhobene oder anstehende Klage hat, stellt eine vom Gesetzgeber besonders geregelte Form der Klageänderung im Sinne des § 67 FGO dar und verfolgt den Zweck, nach Möglichkeit ein erneutes Vorverfahren zu vermeiden (vgl. BFH, Beschluss vom 04.09.2001, VIII B 119/00, BFH/NV 2002, 157; Stöcker, in: Beermann/Gosch, Kommentar zur AO und FGO, § 68 FGO, Rz. 4); sie findet nicht nur im Revisionsverfahren (vgl. § 121 Satz 1 FGO), sondern auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde Anwendung (vgl. BFH, Beschluss vom 07.02.2008, X B 39/07, BFH/NV 2008, 965; BFH, Beschluss vom 13.03.2003, VII B 153/02, BFH/NV 2003, 1065). Hinsichtlich des Streitfalles gehen die Beteiligten des Rechtsstreits übereinstimmend davon aus, dass der vom Kläger ursprünglich angefochtene Bescheid vom 07.01.2003 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.12.2003 durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 29.11.2004 nicht im Sinne des § 68 FGO ersetzt worden ist. Der Begriff der Ersetzung, der weder in der Abgabenordnung noch im Verwaltungsverfahrensgesetz verwendet wird, sondern aus § 96 SGG übernommen worden ist, meint formelle Aufhebung eines Verwaltungsaktes und Ersatz durch einen anderen (vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 68 FGO, Rz. 8). Ein in diesem Sinne Austausch des Bescheides vom 07.01.2003 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.12.2003 durch den Bescheid vom 29.11.2004 ist indes nicht erfolgt.

Der Bescheid vom 29.11.2004 ist aber als Änderungsbescheid im Sinne des § 68 FGO anzusehen. Der Begriff "Änderung" ist entsprechend dem Zweck des § 68 FGO - scil. den Kläger durch Änderung des angegriffenen Bescheides aus dem gerichtlichen Verfahren hinauszuwerfen und zur Durchführung eines erneuten Vorverfahrens zu zwingen - weit auszulegen (allgemeine Ansicht, vgl. nur BFH, Beschluss vom 04.09.2001, VIII B 119/00, BFH/NV 2002, 157) und meint, dass dem gerichtlich angefochtenen, ursprünglichen Verwaltungsakt ein partiell anderer Inhalt gegeben wird (vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 68 FGO, Rz. 8). Ein Änderungsbescheid wird deshalb bereits dann Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens, wenn hinsichtlich des ursprünglichen und des neuen Verwaltungsaktes Identität der Beteiligten und eine zumindest teilweise Identität der Regelungsbereiche beider Verwaltungsakte besteht (vgl. BFH, Beschluss vom 04.09.2001, VIII B 119/00, BFH/NV 2002, 157; BFH, Urteil vom 08.02.2001, VII R 59/99, BFHE 194, 466); eine Identität des Streitgegenstandes ist nicht erforderlich (vgl. Stöcker, in: Beermann/Gosch, Kommentar zur AO und FGO, § 68 FGO, Rz. 4). Unerheblich ist ferner, ob der ursprüngliche Bescheid inhaltlich geändert oder aus formellen Gründen lediglich wiederholt wird (vgl. BFH, Urteil vom 24.07.1990, VII R 75/89, BFH/NV 1991, 604). Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass eine sachliche Beziehung zwischen dem angefochtenen und dem ihn ändernden anderen Verwaltungsakt besteht (vgl. BFH, Urteil vom 24.07.1990, VII R 75/89, BFH/NV 1991, 604). Wird etwa dem ursprünglichen Bescheid lediglich eine Nebenbestimmung beigefügt oder eine dem ursprünglichen Bescheid bereits beigefügte Nebenbestimmung geändert oder aufgehoben, liegt eine Änderung im Sinne des § 68 FGO vor (vgl. Nieder sächsisches FG, Urteil vom 20.12.1992, VIII 147/89, EFG 1993, 457; Seer, in: Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 68 FGO, Rz. 13). Entsprechend verhält es sich, wenn etwa der Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 3 Satz 1 AO) oder ein Vorläufigkeitsvermerk (§ 165 Abs. 2 Satz 1 AO) aufgehoben werden. Keine Änderung im Sinne des § 68 FGO enthalten dagegen selbständige neue Verwaltungsakte, selbst wenn diese mit dem ursprünglichen Verwaltungsakt zu einem Bescheid verbunden werden (vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 68 FGO, Rz. 12; Stöcker, in: Beermann/Gosch, Kommentar zur AO und FGO, § 68 FGO, Rz. 36). In diesen Fallkonstellationen fehlt es an der zumindest teilweisen Identität der Regelungsgegenstände der Verwaltungsakte, ursprünglich angefochtener und neuer Verwaltungsakt erweisen sich als aliud.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Darlegungen ist der in Rede stehende Bescheid vom 29.11.2004 als Änderungsbescheid im Sinne des § 68 FGO zu qualifizieren:

Das beklagte Hauptzollamt hatte mit Bescheid vom 07.01.2003 gegenüber dem Kläger eine Maßnahme nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 1469/95 des Rates vom 22.06.1995 über Vorkehrungen gegenüber bestimmten Begünstigten der vom EAGFL, Abteilung Garantien, finanzierten Maßnahmen (ABl. Nr. 1 145/1, im Folgenden: VO Nr. 1469/95) erlassen und mit sofortiger Wirkung und in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzt sämtliche Zahlungen von Erstattungen für die Ausfuhr von Rind- und Schweinefleisch ausgesetzt. Regelungsgegenstand des Bescheides vom 07.01.2003 war somit der Ausschluss des Klägers von bestimmten Geschäften im Erstattungssektor. Mit Blick auf die Regelung des Art. 3 Abs. 4 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 745/96 der Kommission vom 24.04.1996 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1469/95 über Vorkehrungen gegenüber bestimmten Begünstigten der vom EAGFL, Abteilung Garantie, finanzierten Maßnahmen (ABl. Nr. 1 102/15, im Folgenden: VO Nr. 1469/95), wonach die Anwendungsdauer der zu treffenden Maßnahme bzw. Maßnahmen aufgrund der Kriterien von Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 745/96 festzusetzen ist, hatte das beklagte Hauptzollamt in Umsetzung des Beschlusses des erkennenden Senats vom 27.11.2003 (IV 225/03) die gegenüber dem Kläger verhängte Maßnahme mit Änderungsbescheid vom 23.12.2003 bis zum 30.11.2004 befristet. Dass der Bescheid vom 23.12.2003 als Änderungsbescheid im Sinne des § 68 FGO anzusehen ist, wird auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt, hat er doch in prozessual konsequenter Weise in dem Verfahren IV 224/03 nicht nur die Aufhebung des Bescheides vom 07.01.2003 sowie der Einspruchsentscheidung vom 30.07.2003, sondern auch des Änderungsbescheides vom 23.12.2003 beantragt. Durch die Befristung der Maßnahme bis zum 30.11.2004 hat der Bescheid vom 07.01.2003 zwar einen partiell anderen Inhalt erhalten, ohne allerdings die sachliche Beziehung zum ursprünglichen Bescheid aufzugeben. Entsprechend verhält es sich im Hinblick auf den streitgegenständlichen Bescheid vom 29.11.2004. Auch dieser Bescheid erweist sich im Verhältnis zum ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 07.01.2003 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.12.2003 nicht als ein aliud, ohne zumindest teilweise Überschneidung der Regelungsbereiche. Da Gegenstand auch des Bescheides vom 29.11.2004 unverändert der Ausschluss des Klägers von bestimmten Geschäften im Erstattungssektor ist, wird auch durch diesen Bescheid dem ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 07.01.2003 lediglich ein partiell anderer Inhalt gegeben. Ob die ausgesprochene Befristung der Maßnahme bzw. deren Verlängerung als bloße Nebenbestimmung im Sinne des § 36 Abs. 2 VwVfG oder als "integraler Bestandteil" einer Maßnahme nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) VO Nr. 1469/95 anzusehen ist, ist im zu betrachtenden Kontext ohne rechtliche Relevanz. Mit dem Bescheid vom 29.11.2004 hat das beklagte Hauptzollamt gegenüber dem Kläger weder eine neue noch eine andere Maßnahme nach Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1469/95 erlassen, sondern lediglich die ursprünglich verfügte um einen Zeitraum von weiteren 4 Monaten verlängert.

Ob der Bescheid vom 29.11.2004 im Hinblick auf die Regelung des § 68 FGO in einem anderen rechtlichen Licht erscheinen würde, wäre dieser dem Kläger erst nach Ablauf der mit Änderungsbescheid vom 23.12.2003 verfügten Befristung zugegangen, kann der Senat offen lassen. Denn der streitgegenständliche Bescheid vom 29.11.2004 ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers per Telefax am 30.11.2004 und damit vor Ablauf der Frist zugegangen.

2. Unbeschadet der vorstehenden Darlegungen merkt der erkennende Senat Folgendes an: Sofern der Bescheid vom 29.11.2004 nicht als Änderungsbescheid im Sinne des § 68 FGO angesehen wird, stünde dem Kläger hinsichtlich der erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklage gleichwohl kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.

Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass die Erhebung einer Fortsetzungsfeststellungsklage, hat sich der Verwaltungsakt vor Klageerhebung erledigt, weder an die Monatsfrist des § 47 Abs. 1 FGO noch an die Jahresfrist des § 55 Abs. 2 FGO gebunden ist (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 11.09.2002, IV 47/01, EFG 2003, 252). Allerdings hat der Senat auch erkannt, dass eine Fortsetzungsfeststellungsklage schon aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens nicht ohne jede zeitliche Beschränkung zugelassen werden kann. Denn einer Fortsetzungsfeststellungsklage ist regelmäßig - dadurch unterscheidet sich diese Klage von der allgemeinen Feststellungsklage - eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden Verwaltungsaktes seitens der Behörde vorausgegangen. Verliert dieser Verwaltungsakt etwa durch Zeitablauf seine Regelungswirkung (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG) mit der Folge, dass (auch) die Beschwer des Bürgers entfällt, so muss der Bürger ein aus seiner Sicht gleichwohl noch bestehendes Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes innerhalb angemessener Zeit geltend machen. Als Richtschnur und Orientierung kann insoweit die in § 46 FGO geregelte Frist für die Untätigkeitsklage dienen. Ein Kläger, der ein Interesse an der Feststellung eines bereits erledigten Verwaltungsaktes geltend macht, muss deshalb die Fortsetzungsfeststellungsklage grundsätzlich nach sechs Monaten seit Erledigung des ursprünglich mit dem Einspruch angefochtenen, zwischenzeitlich aber erledigten Verwaltungsaktes erhoben haben, anderenfalls - sofern nicht besondere Umstände glaubhaft gemacht werden - ein rechtlich anzuerkennendes Interesse an der gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes a limine nicht mehr besteht.

Im Streitfall liegen zwischen der Erledigung des Bescheides vom 29.11.2004 mit Ablauf des 31.03.2005 und der Klageerhebung am 07.03.2006 nahezu 12 Monate. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 29.11.2004 ist damit nicht mehr gegeben. Besondere Umstände, warum in der Person des Klägers noch im März 2006 ein anzuerkennendes Interesse an der Feststellung des vor nahezu einem Jahr erledigten Verwaltungsaktes gegeben sein soll, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 4 MOG findet § 139 Abs. 2 FGO in marktordnungsrechtlichen Streitigkeiten keine Anwendung. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO hat der Senat die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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